Wiener Saftgulasch
Das Gulasch der Wiener Küche ist - wie so manch anderes Gericht auch - entstanden aus Missverständnis, Eigensinn und Tradition. Missverständnis schon bei der Übernahme, weil die Ungarn noch heute unter Gulyas etwas anderes verstehen, nämlich ein gekochtes Kesselfleisch der ungarischen Hirten, und weil die Aussprache „Gollasch" ein sprachliches Wanderschicksal erfuhr (das Wort kam von Ungarn über die Ui-Mundartzone Niederösterreichs nach Wien, wo man glaubte, das Original-U in das „originale" 0 zurücklauten zu müssen); Eigensinn, weil man erst nach längerer Zeit auf die richtige Fleischwahl kam (nicht den teuren Lungenbraten, sondern das billigere, aber besser „bindende" Wadenschinken-Fleisch des Rindes); und Tradition, weil das Gulyas erst durch die Eingliederung in die bereits bekannte und beliebte „Kategorie" der „eingemachten Speisen" (mit einer Einmach aus Fett, Zwiebeln und Mehl) die „Konsistenz" eines Wiener Gulasches bekam! Verständlich, dass eine Speise mit solcher „Abstammung" in Wien auch bald „salonfähig" wurde.
Das alte Gasthaus „Zur goldenen Gans" auf der Roßauer Lände in Wien (IX. Bezirk). Aquarell.
Zutaten - Wiener Saftgulasch
750 g Zwiebeln, 1000 g Wadenschinken, 150-200 g Schweinefett, 1 TL edelsüßer Paprika, Salz, 1-2 zerdrückte Knoblauchzehen, 1 EL Paradeispüree, 1 TL Gulaschgewürz (Majoran, Kümmel, etwas Zitronenschale, alles feinst gehackt).
Saftgulasch wird zum Unterschied vom gewöhnlichen Rindsgulasch (wienerisch: „Gollasch") nicht mit Mehl gestaubt.
Das Fleisch soll Wadenschinken (in Deutschland „Hesse") vom vorderen Rind sein (also Fleisch, das nicht „fasert" und das von Flachsen durchzogen ist, die leimhaltig sind und daher eine gute Soße machen).
Rezept - Wiener Saftgulasch
In heißem Schweinefett fein geschnittene Zwiebeln unter Rühren auf großer Flamme rösten, bis sie goldgelb (nicht braun) sind - von der Farbe der Röstzwiebeln hängt auch die Farbe des „Saftes" ab. Dann mit Paprika würzen, nur 2 bis 3 Sekunden durchschwitzen lassen (Paprika darf nicht rösten, sonst würde das Gulasch einen bitteren Beigeschmack erhalten). Dann den grobwürfelig-blättrig geschnittenen Wadenschinken dazugeben und das nötige Salz. Die zerdrückten Knoblauchzehen hinzugeben, 1 Eßlöffel Paradeispüree und das feinst geschnittene Gulaschgewürz.
Im offenen Geschirr schmoren, dabei immer wieder durchrühren, bis das Fleisch kernig-weich ist und das Gulasch eine schöne rotbraune Farbe angenommen hat. Ist das Fleisch zäh, wird während des Dünstens wiederholt etwas Wasser zugegossen, aber immer nur so viel, wie zum Dünsten unbedingt erforderlich ist, sonst wird nie die richtige Farbe erreicht.
Nach dem Eindünsten gerade so viel mit Wasser aufgießen, dass ein molliger, fetter Saft entsteht, der gleich hoch dem Fleisch steht. Langsam vollends weich dünsten lassen.
Anhang
Zum Rindsgulasch staubt man das Fleisch vor dem Aufgießen mit Wasser. Zu einem Kalbsgulasch gibt man etwas Sauerrahm bei. Aus dem Grundgulasch haben die Wiener Köche und auch die internationale Gastronomie eine Reihe von Varianten entwickelt: Beim Majoranfleisch ist die Zubereitung die gleiche wie beim Saftgulasch, nur das man dem Fleisch anstelle von Paprika reichlich Majoran beigibt. Auch Kümmelfleisch wird ähnlich zubereitet, anstelle von Paprika gibt man reichlich Kümmel bei. Pfefferfleisch schließlich erfolgt in gleicher Bereitung, nur das man anstelle von Paprika reichlich schwarzen Pfeffer nimmt. Gegen Ende wird das Pfefferfleisch mit einem Schuss Essig pikant gesäuert.